«Poetry for Revolutions» ist eine Ausstellung, die sowohl in Zürich (Cabaret Voltaire) als auch in Rom (Istituto Svizzero) stattfindet. In Zürich umfasst das Projekt eine Gruppenausstellung mit fünfzehn Manifesten, die einerseits im Historischen Saal (Obergeschoss) zu sehen sind, und anderseits als Schwarz-Weiss-Kopie zum Mitnehmen im Gewölbekeller aufliegen. Ceylan Öztrük begleitet «Poetry for Revolutions» mit der Einzelausstellung «Pink Tabula Rasa» im Gewölbekeller.
Den Impuls für dieses kollaborative Projekt zwischen dem Cabaret Voltaire (Zürich) und dem Istituto Svizzero (Rom) setzte der andauernde Austausch der Kuratorinnen. Inmitten des aufflackernden Faschismus, der Apathie gegenüber ökologischen, ökonomischen und so-zialen Krisen oder der Tatsache, dass Menschen aufgrund ihrer Identität Gewalt ausgesetzt sind, fragen wir: Genügt das, was wir tun? Wie drücken wir uns in den Künsten aus? Bildet Kunst politische Menschen oder erschafft sie eher einen pseudopolitischen Raum? Ist Kunst politisch oder sind es ihre Macher:innen? Wir meinen, dass diese in den Künsten altbekannten und teilweise als unsexy-pädagogisch markierten Fragen fortlaufend gestellt werden müssen und dass sie nie abgeschlossen sein dürfen. Die Liebe zur Kunst treibt uns an. Kunst bildet nicht eindimensional ab, sie verdichtet, isoliert, differenziert, verwirrt, entwirrt, sei es poetisch, radikal, subtil oder konkret. Die Kunst sucht neue Wege des Ausdrucks, weshalb wir in der Ausstellung nicht nur von «Manifestos», sondern auch von «Proposals» sprechen. (aus dem Saaltext Cabaret Voltaire)
Text zum «Manifest 0 g» von MigrArt/DACZ (Deniz Damla Uz & Niştiman Erdede)
Künstliche Intelligenz (KI) erstellte für Deniz Damla Uz und Niştiman Erdede von DACZ/MigrArt ein Prosagedicht, das den Zustand eines Menschen wiedergibt, der an Grenzen stösst. Unter die deliriöse Sprache mischen sich Namen von Medikamenten und deren Dosierung. Der Text liest sich wie ein Trip, bei dem sich in den Atempausen Abgründe auftun: Uz und Erdede möchten die Auswirkungen des Kapitalismus auf die Psyche thematisieren. Die Pharmaindustrie verdient auf dem Rücken von Menschen, die auf ihre Diagnosen und Medikamente angewiesen sind. Ohne verschwörungstheoretisch argumentieren zu wollen, möchten die Künstler auf die historische Tatsache verweisen, dass Wahnsinn immer benutzt wurde, um Menschen auszugrenzen und zu misshandeln. Die menschennegierende Maschinerie mitdenkend, ergibt es Sinn, dass Uz und Erdede KI benutzen, die das Subjekt auslöscht, das Gedicht jedoch in mehreren Sprachen präsentieren, um Subjekte gera-de mitzudenken. «0 g» als Manifest möchte keine Betäubung, sondern Aktivismus und Gleichberechtigung, die auch Neurodivergenz mitdenkt.
MigrArt ist ein in Zürich ansässiger Verein, der von Menschen, die Zuflucht suchen mussten, und BIPoC-Künstler:innen (Black, Indigenous, and People of Color) gegründet wurde. Die Aktivitäten von MigrArt entstehen unter Einbeziehung der Gemeinschaft, in der festen Überzeugung, dass Kunst eine wichtige Rolle bei der Verbindung und Stärkung von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, Identitäten und Zugehörigkeiten spielt, insbesondere von Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben. Das Decolonial Art Collective Zurich ist ein langfristiges Projekt des Vereins MigrArt, initiiert von Niştiman Erdede. Es bietet Raum, Netzwerk, Ressourcen und Programme für geflüchtete Künstler:innen und Kulturschaffende in Zürich und anderswo, um ihren eigenen künstlerischen Aktivitäten nachzugehen, sich mit der Kulturszene zu vernetzen und Raum und Zeit zu finden, um einen künstlerischen Bogen von ihren Ursprüngen bis in die Gegenwart zu schlagen.
«Poetry for Revolutions», Cabaret Voltaire 2023, mit Manifesten von Ramaya Tegegne, Michèle Graf & Selina Grüter, RM, MigrArt/DACZ (Deniz Damla Uz & Niştiman Erdede), Ceylan Öztrük, Industria Indipendente, Ursula Biemann, Ivona Brđanović, Guerreiro do Divino Amor. Photo: Cedric Mussano